Analyse der neuen Lantus-Studien (Verdacht auf ein erhöhtes Krebsrisiko)

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Kirsten

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Hallo Zusammen,

da dieses Thema anscheinend viele interessiert, schreibe ich jetzt mal, was ich der Literatur entnehmen konnte. Auch weil in den öffentlich Medien viel ungenaue, sogar falsche, Informationen zu lesen sind.

Es wurden vor wenigen Tagen 4 Studien, plus ein sehr lesenswertes Editorial in dem Journal Diabetologia publiziert: http://www.diabetologia-journal.org/...sanofi-aventis :

  • In allen Studien handelte es sich um Typ 2 Diabetiker
  • Das Alter der Patienten in den 4 Studien hatte einen Medianwert von 67 Jahren
  • In allen Studien gab es ein erhöhtes Krebsrisiko bei einer höheren Dosierung, egal welches Insulin gegeben wurde
  • In zwei der vier Studien wurde ein erhöhtes Krebsrisiko bei ausschliesslicher Therapie mit Lantus im Vergleich zu Humaninsulin beobachtet, in zwei weiteren Studien konnten diese Zusammenhänge jedoch nicht bestätigt werden. (Es gab auch Falschinformationen, dass 3 von 4 Studien ein erhöhtes Krebsrisiko festgestellt hätten, aber nur 2 von 4 haben einen statistisch signifikanten Unterschied geziegt).
Ich befasse mich mit der deutschen Studie, da über sie hier in Deutschland am meisten berichtet worden ist:

  • In der deutschen Studie: 95,804 (75.4%) Patienten bekamen ausschliesslich Humaninsulin, 23,855 (18.8%) bekamen ausschliesslich Lantus, 3,269 (2.6%) bekamen ausschliesslich Insulin Lispro und 4,103 (3.2%) bekamen ausschliesslich Insulin Aspart. Levemir wurde nicht untersucht.
  • Die Diabetiker mit Humaninsulin hatten ein höheres Krebsrisiko als die mit Lantus
  • Aber weil die Patienten mit Lantus im Allgemeinen weniger Insulin nehmen müssen, wurden die Patienten nochmal statistisch anders analysiert: es wurde ein Vergleich gleicher Dosen für Lantus und Humaninsulin gemacht und hier wurde das erhöhte Krebsrisiko mit Lantus entdeckt
  • Die Patienten mit Lantus wurden nur 1,31 Jahre verfolgt (Medianwert), eine viel zu kurze Zeit um das Krebsrisiko eines Medikaments zu untersuchen
  • Die medizinische Vorgeschichte der Patienten wurde anscheinend nicht in Betracht genommen. Orale Antidiabetika werden meist jahrelang verwendet bevor Insulin gespritzt wird, u.a. möglicherweise Januvia was unter Verdacht steht Krebs zu verursachen. Es sollen gerade die Patienten sein, deren Blutzuckerwerte über Jahre mit oralen Antidiabetika nicht zu kontrollieren waren, die irgendwann auf Insulin umsteigen. (Link).
  • Die Einstellung der Patienten wurde anscheinend auch nicht in Betracht genommen; es ist schon lange bekannt das schlechte Einstellungen Krebs fördern. Ich würde auch gerne wissen, wie optimal eine Einstellung beim Menschen überhaupt sein kann, wenn man nur Humaninsulin oder Lantus spritzt (ohne Oralantidiabetika oder schnellwirkendem Insulin). Die Patienten die Lantus plus schnellwirkende Insulinanaloga benutzt haben, hatten übrigens keine erhöhtes Krebsrisiko.
  • Übergewicht und Rauchen erhöhen auch das Krebsrisiko, aber diese Faktoren sind bei der Studie auch nicht berücksichtigt worden.
Weitere mehr oder weniger wichtige Punkte:

  • IQWiG (die Autoren der deutschen Studie) behaupten seit längerem, dass "künstliche" Insuline keine Vorteile gegenüber Humaninsulin bieten, was zu verschiedenen Kontroversen geführt hat (eine davon hier im Link). Ein meiner Meinung nach treffender Kommentar übers IQWiG bei aerzteblatt.de. Beim Deutschen Diabetiker Bund und der Deutschen Diabetes Gesellschaft gibt es auch viel interessantes u.a. übers IQWiG zu lesen.
  • Ein faszinierendes Präambel zur Veröffentlichung der genannten Studien von einem gewissen Dr. DeFronzo der an Studien für das Konkurrenzprodukt Byetta von Ely Lilly mitgewirkt hat (Link). Dies könnte vielleicht das grosse Medieninteresse an dem Thema erklären.
  • Die amerikanische FDA schreibt zum ganzen: "The four observational studies evaluated large patient databases and all reported some level of association between the use of insulin glargine, and other insulin products, and various types of cancer. The duration of patient follow-up in all four studies was shorter than what is generally considered necessary to evaluate for cancer risk from drug exposure. Further, inconsistencies in findings within and across individual studies raise concerns as to whether an association between the use of insulin glargine and cancer truly exists. Additionally, differences in patient characteristics across the treatment groups may have contributed to a finding of increased cancer risk." Einen guten online Übersetzer gibt es hier :wink:.
  • Wie will man überhaupt auf diabetische Katzen extrapolieren? Ein ganz anderer Organismus plus Katzen gehen meist innerhalb von 2 Monaten nach der Diagnose mit relativ geringen Dosen Insulin in Remission, wenn ein vernünftiges Protokoll (Lantus oder Levemir) angewendet wird.
Zusammenfassend bin ich der Meinung, dass weitere Studien bei Menschen notwendig sind (von wesentlich höherer Qualität als die oben genannten) und man im Moment noch gar nichts über ein erhöhtes Krebsrisiko unter Lantus sagen kann. Und bei Katzen schätze ich, dass das potentielle Risiko so minimal ist und der Nutzen von einer effektiven Behandlung mit Lantus so gross, dass man sich keine Gedanken darüber machen sollte.
 
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