Hallo!
Ich heiße Liv und habe mich hier registriert, da bei meiner Katze am Freitag Diabetes diagnostiziert wurde und ich mich sehr gern austauschen wollte. Ich sollte erwähnen, dass ich selbst Fachärztin für Diabetologie bin (nur leider gerade bei der falschen Spezies). Ich war sehr überrascht über die wenigen Therapiemöglichkeiten für Katzen und jetzt bin ich regelrecht geschockt wie hier die SGLT2-Hemmer von euch bewertet werden, daher möchte ich euch gern einmal aus der Humanmedizin berichten und vielleicht ein paar Missverständnisse aufklären.
In Sachen humaner Diabetologie waren diese Medikamente geradezu bahnbrechend und einige Jahre kam eine Studie nach der anderen. So eine Revolution habe ich wirklich selten erlebt. Sie sind mittlerweile Mittel der 1.Wahl und werden noch bei anderen Erkrankungen unabhängig vom Diabetes angewendet (zB bei Herz- oder Nierenschwäche). Es gibt kaum noch Diabetiker, die neu diagnostiziert werden und daran vorbeikommen…und Diabetiker mit Nierenschwäche müssen es erhalten.
Ich selbst behandele ca. 1000 Diabetiker jährlich und viele davon benötigten ursprünglich Insulin und wurden damit auf ausschließlich orale Medikamente umgestellt. Bei anderen konnte zumindest die Insulindosis reduziert (weniger Hypos) oder die generelle Einstellung verbessert werden.
Mir ist vollkommen bewusst, dass man Daten aus der Humanmedizin nicht ohne weiteres auf Tiere übertragen kann, aber viele der hier geäußerten Kritikpunkte wurden auch anfangs genau so von uns angebracht, daher möchte ich hierzu gern etwas aufklären.
Insulin ist ein wichtiges Hormon und ohne Insulin ist kein überleben möglich. Dabei ist ein Typ1-Diabetes durch einen absoluten Mangel gekennzeichnet (folglich kommt man an Insulin nicht vorbei). Bei typ2 herrscht hingegen ein relativer Mangel, bedingt durch die Resistenz liegt zu wenig Insulin für den Bedarf vor. (Teils haben frisch diagnostizierte 2er aber absolut sogar mehr Insulin als nicht-Diabetiker). Hierdurch kommt es zu einer Überlastung der Bauchspeicheldrüse, welche im Verlauf dann immer weniger produzieren kann, so dass es im Verlauf zu einem absoluten Mangel kommen KANN. Ob jemand Insulin spritzen muss oder nicht, gibt uns aber nur indirekt Aufschluss über die endogene Produktion, da wir den individuellen Bedarf ja nicht kennen. (ich schreibe dies, da die Aussage getätigt wurde, dass die meisten Diabetiker-Katzen ja keine Insulinproduktion mehr hätten)
Problematisch ist, dass man beim Menschen Laborwerte kennt, womit man die endogene Produktion besser abschätzen kann…bei der Katze ist dies nicht so einfach möglich.
Da die SGLT2-Hemmer ja Insulin-unabhängig wirken ist eine endogene Insulinproduktion für die Monotherapie zwingend notwendig. sie kommen somit ALLEIN nicht für Typ1 und nicht für „ausgebrannte“ Typ2 in Frage. Für letztere aber sehr wohl in Kombination mit Insulin (dies ist im Humanbereich absoluter Standard, gerade laufen auch zu Typ1 Studien). Zu dieser Kombi gibt es bisher im VeterinärBereich keine Daten, so dass das o.g. Medikament schon aus diesem Grund keinen Wechsel bzw. Die Komhi mit Insulin empfehlen darf. aufgrund des Wirkmechanismus würde sich dies aber mit mehr Daten zerschlagen (gutes Monitoring in der Umstellung vorausgesetzt)
Bezüglich Ketoazidosen war der Aufschrei bei den Humanmedizinern initial auch sehr gross, insbesondere weil theoretisch ja auch Ketoazidosen bei normalen Blutzucker-Werten möglich sind. Mittlerweile ist es darum sehr ruhig geworden. Ich selbst habe dies unter SGLT2-Hemmern in den letzten Jahren genau ein einziges Mal erlebt, sofern das Medikament in kritischen Situationen großzügig pausiert und die Patienten sorgfältig aufgeklärt werden. Hier sollte man allerdings erwähnen, dass menschliche Diabetiker oftmals schlechter zuhause kontrollieren als ihr hier… viele meiner Patienten messen NIE Ketone und leider auch viel zu selten ihren BZ, insbesondere die, die nicht regelmäßig Insulin spritzen. Es bleibt jetzt die Frage, ob daher leichte Ketosen gar nicht bemerkt werden…schwere treten aber dennoch nicht auf, so das man dann fragen muss, ob es damit relevant ist.
Wie gesagt, mir ist vollkommen klar, dass das bei Katzen alles ein wenig anders sein kann. Bisher gibt es allerdings keinerlei Daten, die gegen eine ähnliche Wirkung wie beim Menschen sprechen…und das wäre dann wirklich ein sehr sehr großer Gewinn. zB weil für Menschen gezeigt wurde, dass diese unter SGLT2-Hemmer über Jahre eine verbesserte Nierenfunktion behalten im Vergleich zu nur Insulin.
sorry für den langen Text.
LG Liv